So ein Bilderbuch habe ich noch nie gelesen - das war mein erster Gedanke nachdem ich die Wölfin mit meinen Kindern angeschaut hatte. 
Da ist erst einmal das feine Karomuster, dass den Hintergrund bildet, als hätte Cecilia Moreno in ein Matheheft gezeichnet. Ihre grafisch abstrakten Illustrationen fügen sich perfekt darin ein. Kaum erkennt man, was hier dargestellt sein soll. Aber der Text gibt Hinweise: "Am Himmel eine Wolke. Darunter ein See. Dahinter ein Berg. In dem Berg eine Höhle." heißt es, und sofort befindet man sich in einm Suchspiel. Diese blaue Form muss der See sein! Dieses schwarze Dreieck der Berg. Wenn Bilderbücher eine Schule des Sehens sind, dann bietet dieses hier eine perfekte Unterrichtsstunde in Abstraktion.

Die Wölfin ist immer leicht zu finden. Mit ihr macht man sich auf dem Weg durch Wälder und Felder. Die Linien sind eine offene Einladung, ihren Weg oder den einer Ameise, eines Regentropfens mit den Fingern nachzufahren.
Der Text bleibt sehr reduziert, liest sich fast wie ein Haiku, und hält dabei einige Überraschungen bereit. Manches wird auch nur im Zusammenspiel von Text und Bild erzählt. Bleibt aufmerksam und zählt die Hasen!

Ein außergewöhnliches Bilderbuch für Kinder ab 3 oder 4 Jahren und alle, die sich für besondere Illustration interessieren.

Pablo Albo, Cecilia Moreno (Illustr.)
Übersetzt von von Karl Rühmann
"Die Wölfin"
Jungbrunnen 2024