Gestern habe ich versuchsweise nur die erste Seite des Bilderbuchs vorgelesen. Da erklärt ein Papa seinem Kind, dass es jetzt Zeit fürs Bett ist und keine Geschichte mehr gelesen werden kann, wirklich nicht. Dann habe ich das Buch zugeklappt.
Die Entrüstung neben mir war groß. DAS WAR NUR EIN SCHERZ, MAMA, ODER?

Wir haben das Buch also wieder aufgeklappt und gelesen, den ganzen wunderbaren Dialog zwischen einem Papa und seinem Kind.
Es beginnt damit, dass das Kind selbst einmal in einem Buch vorkommen möchte. Die beiden überlegen, was alles in der Geschichte passieren könnte. Gibt es Schleimmonster? Eine Bergbesteigung? Es entspinnt sich ein gewitzter Schlagabtausch und für ein paar Seiten werden die Ideen lebendig, in Gedanken und in den wilden Bildern von Mari Kanstad Johnsen. (Die wir seit unserer Ausstellung zu 3,2,1 sowieso lieben.)

„Worin bist Du gut?
Ich weiß nicht.
Kannst du Spagat? Tanzen? Kannst du nicht ein Rad schlagen?
Doch, aber nicht so gut wie Emma.
Also, worin bist du gut?
Im Nägelkauen.
Hm. Das reicht nicht für ein ganzes Buch.
Warum nicht, Papa? Ich bin wirklich eine gute Nägelkauerin.“

Aber die Idee, ein Buch übers Nägelkauen zu schreiben, wird ebenso verworfen wie die Weltreisen oder Monster.
Denn am Ende stellt das Kind fest:

„Papa? Ich will nur ich sein.
Auch im Buch?
Ja, auch im Buch. Ich möchte, dass es ein langweiliges Buch wird.
Langweilig?
Genau. Das einzige, was passieren soll, ist, dass wir ein Buch lesen und du mit mir kuschelst.
Das ist das Allerbeste.“

Dann geht das Kind ins Bett (wirklich) und der Papa sagt noch diesen tollen Satz:

„Weißt du, was passiert, wenn wir Bücher zuklappen?
Nein.
Wenn wir Bücher zuklappen, dann öffnen wir die wirkliche Welt.“

Das Kind in der Geschichte musste dann doch nochmal aufs Klo. Wir haben das Buch zugeklappt. Wir hatten in echt gekuschelt und ein Buch vorgelesen, das Allerbeste.

Frode Grytten, Mari Kanstad Johnsen (Illustr.)
„Bettzeit - Papa und das Buch über mich“
Übersetzung: Carsten Wilms
Kullerkupp Verlag 2022
Ab 4