Was Ali Smith mit diesem kleinen, schön illustrierten Buch über den antiken Mythos der Antigone wagt, erstaunt mich: Die Tochter des Königs von Theben, deren Brüder sich im Streit um die Herrschaft gegenseitig töten, weiß eines ganz sicher: Entgegen dem Willen ihrer Familie, soll auch der als Verräter markierte Polyneikes eine würdevolle Bestattung erfahren. Gegen alle Widerstände riskiert sie ihr eigenes Leben, um zu verhindern, dass ihn die Krähen zum Fraß bekommen. Und aus der Sicht einer dieser Krähen wird uns diese Heldinnengeschichte erzählt. Mit leichtem Zynismus über den Irrsinn der menschlichen Gewalt und und Entsetzen über die Machtkämpfe, wartet diese Krähe doch eigentlich nur auf die nächste Mahlzeit für sich und ihre Kinder.
Ali Smith Version der Antigone bleibt dabei meist recht nah am Original und scheut sich nicht vor der Komplexität ihrer Nacherzählung, die wie nur wenige antike Stoffe ein 12-jähriges Mädchen zur Heldin macht.
Was sie hinzufügt, lässt die Geschichte aufleben, und was sie weglässt, wird kaum vermisst. Als kleines Highlight schließt sich an den Epilog ein Interview der Krähe mit der Autorin an, das uns noch einmal hilft, Antigone besser zu verstehen. Für alle ab 10 und weit darüber hinaus.